«Friedhöfe unter Druck» - Paten kümmern sich um Grabmale

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«Friedhöfe unter Druck» - Paten kümmern sich um Grabmale - © Steinmüller, Hermann-Peter
«Friedhöfe unter Druck» - Paten kümmern sich um Grabmale (© Steinmüller, Hermann-Peter)

«Der da oben rechts ist meiner», sagt Alexander Tanzer und zeigt auf ein längliches Stück Rosenquarz. Es gehört zu einem Grabmal aus treppenartig aufgeschichteten wuchtigen Steinblöcken, die von einem massiven Kreuz überragt werden. Tanzer und seine Familie haben sich des imposanten Grabmals des Kaufmanns und Politikers Philipp Diffené (1833-1903) auf dem Mannheimer Hauptfriedhof angenommen. «Um ein historisch bedeutsames Monument zu erhalten und zu pflegen und um eine besondere Begräbnisstätte für uns zu haben, sind wir Paten», erklärt der Jurist. Der 44-Jährige will nach seinem Tod mit Namen auf dem aus dem Grabstein seiner verstorbenen Mutter geschnittenen Rosenquarz-Stück verewigt werden.

Tanzers Grabmalpatentschaft ist eine von einem Dutzend auf dem zentralen Friedhof in Mannheim mit seinen 35 000 Gräbern. Doch dessen Popularität sinkt. «Der kommunale Friedhof ist bundesweit ein Auslaufmodell», sagt Andreas Adam, Leiter der zehn Friedhöfe der Stadt. Der Trend gehe zu anonymen Bestattungen: «Jede sechste Einäscherung geht in den Wald».

In Bad Dürkheim und im Odenwald gebe es Bestattungswälder. Bei dieser Wahl fragten sich die Angehörigen oft hinterher und damit zu spät, wie man dort eigentlich hingelangen könne, wie zugänglich der Wald sei und wer sich um die Sicherheit kümmere. Nein, für ihn persönlich sei ein richtiges Grab wichtig, betont Adam: Das sei Familientradition und Friedhöfe seien wichtige Erinnerungsorte.

Tanzer und seine Familie haben nach Beginn der Patenschaft im vergangenen Jahr in eine neue Grabeinfassung und eine Skulptur investiert. In den ersten Jahre wollen sie mehrere 1000 Euro in das Projekt stecken. «Das ist natürlich optimal und übersteigt unsere Erwartungen an die Paten bei weitem», sagt Adam. Eigentlich sei man schon froh, wenn das nicht mehr im Familienbesitz befindliche Grabmal und sein Bewuchs die Nachbarn nicht stören. Rund 300 Patenschaften seien auf dem 35 Hektar großen Areal möglich.

Patenschaften sind auch ein Instrument, die Friedhöfe und ihre im Unterhalt teuren Grabmale durch privates Engagement vor dem Verfall zu retten. «Denn der klassische Friedhof steht unter Druck», sagt auch Andreas Helbach, Sprecher der Verbraucherinitiative für Bestattungskultur Aeternitas. Mehr als zwei Drittel aller Bestattungen seien Feuerbestattungen. Die Asche der Toten werde zunehmend in den 200 Bestattungswäldern in Deutschland in biologisch abbaubaren Kapseln beigesetzt.

Angesichts dieser Konkurrenz böten Friedhöfe Alternativen zum Standardgrab an, etwa Urnenwände, Baum- oder Rasengräber, gärtnerisch speziell gestaltete Gemeinschaftsgräber. Es gibt sogar Gemeinschaftsgrabfelder für Fußballfans, etwa für Schalke- oder HSV-Anhänger. Alle diese neuen Bestattungsformen haben nach Helbachs Worten eines gemeinsam: «Sie kommen ohne persönliche Grabpflege aus, die die Angehörigen nicht mehr leisten wollen oder können.» Der Vereinssprecher ist überzeugt: «Die Friedhöfe werden schrumpfen, aber nicht aussterben.»

Damit der Friedhof überlebt, setzt Verwalter Adam auch auf ehrenamtliches Engagement. Die Motive sind unterschiedlich: Während Tanzer ein historisches Monument für die Nachwelt erhalten will, nutzt Alexander Manz vom Gemeinschaftswerk Arbeit & Umwelt die Grabmalpflege als eine sinnvolle Beschäftigungsmöglichkeit für Langzeitarbeitslose.

Historisches Interesse treibt Geschichtslehrer Martin Geipel an. Er stieß bei seinen Recherchen zur Mannheimer Familie Geissmar auf das von Efeu überwucherte Grab von Leopold Geissmar (1863-1918), Bruder der renommierten Kinderärztin Johanna Geissmar (1877-1942). Die Nazis ermordeten die aus einer jüdischen Familie stammende Medizinerin 1942 in Auschwitz. Pate Geipel kümmert sich mit Schülern des nach ihr benannten Gymnasiums darum, das Grab in Schuss zu halten und damit einen wichtigen Teil der Geschichte der Vergessenheit zu entreißen. (dpa/lsw)

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