«Was ich noch sagen wollte...» - Botschaften an Hinterbliebene

Bernadette Winter

«Was ich noch sagen wollte...» - Botschaften an Hinterbliebene - © Christin Klose (dpa-tmn)
«Was ich noch sagen wollte...» - Botschaften an Hinterbliebene (© Christin Klose (dpa-tmn))

Wer dem Tod gegenüber steht, hat meist viele Ängste. Eine große Sorge ist dabei oft, in Vergessenheit zu geraten und keine Spuren zu hinterlassen. «Auch wenn sie es nicht so wahrnehmen, wünschen sich viele Menschen ein Vermächtnis», sagt der Palliativmediziner Prof. Sven Gottschling aus Homburg (Saarland).

Den idealen Abschied gebe es aber nicht, meint Stefanie Schardien. Die Pfarrerin aus Fürth warnt davor, das Sterben geradezu perfektionieren zu wollen. Wer zum Beispiel aufgrund einer schweren Krankheit weiß, dass er oder sie nicht mehr lange zu leben hat, sollte sich auf diese Weise nicht noch zusätzlichen Druck machen.

Wer Angehörigen und Freunden etwas hinterlassen möchte, hat aber Möglichkeiten. Neben einem klassischen Brief kann ein Fotoalbum gebastelt oder ein Baum gepflanzt werden, der an den Verstorbenen später erinnern soll. Mancher will sein Leben Revue passieren lassen oder ausdrücken, was man sich für die Lieben in Zukunft wünscht. Vielleicht lässt sich auch bereits Geld oder Besitz überschreiben, was die Hinterbliebenen erst bei der Testamentseröffnung erfahren.

Angehörige nicht überfordern

Grundsätzlich sei es eine schöne Idee, etwas für die Zeit nach dem Tod zu hinterlassen, findet auch die Familientherapeutin Valeska Riedel. Bei Paaren mit großem Altersunterschied etwa werde das früher oder später zum Thema. «Man sollte sich aber fragen, inwieweit das wichtig ist oder ob es nicht besser ist, die Dinge in der Gegenwart - also solange man noch lebt - auszusprechen», sagt Riedel.

Dabei sollte sich ein Sterbender seiner Verantwortung bewusst sein und überlegen, ob er mit seiner Nachricht den Angehörigen seine Liebe versichert oder sie eher quält, ob er seine Hinterbliebenen stärkt oder gar verletzt: «Der oder diejenige, die geht, sollte sich bewusst sein, dass die Anderen weiterleben müssen», stellt Schardien klar.

Der Wunsch hinter einer Abschiedsbotschaft könne sein das Gefühl «Ich bin noch da» zu vermitteln. Zum Abschied nehmen gehöre es aber auch anzunehmen, dass die Person eben nicht mehr da ist. Werden viele Botschaften hinterlassen, kann das diesen Prozess erschweren.

Keine Angst vor Fehlern

Mancher Todkranker will Angehörigen noch Aufträge mitgeben, hat Gottschling erlebt. «Das kann eine Bürde sein, denn diese Botschaften haben eine große Strahlkraft», sagt der Arzt. Ein Kind, dem man sagt, es sei nun «der Mann im Haus», könnte damit leicht überfordert sein.

Bei aller Verantwortung gilt jedoch: Man sollte keine Angst davor haben, etwas falsch zu machen. «Der größere Fehler wäre, es nicht zu machen, obwohl man das Bedürfnis hat», findet Prof. Gottschling.

Verbündete für die Überraschung

Vorab sollte man sich fragen: In welcher Situation erreicht die Botschaft meine Lieben und was möchte ich auslösen? Wer zum Beispiel weiß, dass er die Hochzeit der eigenen Kinder oder die Volljährigkeit nicht mehr erleben wird, kann sich überlegen, für diesen Anlass eine Nachricht zu schreiben oder eine Videobotschaft aufzunehmen. Soll eine Botschaft im Hochzeitsgottesdienst verlesen werden, empfiehlt Pfarrerin Schardien allerdings, das gut vorzubereiten. «Tränen sind ja völlig okay, aber es besteht die Gefahr, dass die Botschaft dann dominiert und das Paar und seine Gäste erdrückt werden.»

Wer eine solche Überraschung plant, braucht dann einen Verbündeten, der Geschenk oder Brief zum verabredeten Zeitpunkt überreicht. Das kann angesichts der großen Verantwortung Probleme mit sich bringen. «Ich würde am ehesten den eigenen Ehepartner oder einen Paten einweihen, denn der hat die nötige Lebenserfahrung», rät Riedel.

Gottschling hält eine gewisse Vorankündigung für empfehlenswert. «Das kann sonst eine intensive Belastung sein, wenn man zum 18. Geburtstag unvorbereitet einen Brief vom fünf Jahre zuvor verstorbenen Vater bekommt.» Gottschling rät den Eingeweihten, in solchen Fällen einige Tage vorher schon eine Andeutung zu machen.

Keine letzte Abrechnung

Die Experten warnen zugleich davor, aus Verzweiflung oder aus Groll heraus zu handeln und die Botschaft für eine letzte Abrechnung zu nutzen. «Es wäre schön, wenn man sich das verkneifen könnte, denn man kann sich sicher sein, dass die sitzt», sagt Gottschling.

«Die letzte Nachricht sollte keine offenen Fragen hinterlassen oder etwas andeuten, denn ein Nachfragen ist ja nicht mehr möglich», ergänzt Schardien. Der Tod sei eine Zeit der Versöhnung, was aber auch nicht heiße, dass man alles zudeckt, was schiefgelaufen ist.

Aber warum sollte man eigentlich mit dem Verfassen von Botschaften warten, bis eine Krankheit den Tod heraufbeschwört? «Es kann auch für einen selbst tröstlich sein, wenn man weiß, man hat für den Fall der Fälle etwas für seine Lieben hinterlegt», sagt Schardien. Der beste Zeitpunkt dafür ist: jetzt. «Die Erfahrung zeigt, dass man danach abschließen und sich voll dem Leben widmen kann», sagt Gottschling.

szmtag